Surplusrealität in der Einzeltherapie
9 Beispiel für die Anwendung einer Surplus-Interview-Technik: Prinz Eisenherz
Der folgende Text illustriert die Anwendung einer Surplus-Interview-Technik. Hier wird demonstriert, wie man allein durch ein Interview Surplus-Elemente einführt und therapeutisch nutzbar macht. Der Protagonist wird über eine Surplus-Idee in eine Identifikation sowohl mit einem fähigen Anteil seiner Psyche (Re-Empowering) verbunden als auch in einer Rollentausch-Technik zu einer Einfühlung für die Rolle der Antagonistin verholfen. Es handelt sich um ein leicht gekürztes Tonband-Transkript einer Therapiesitzung. Kursiv eingesetzter Text kommentiert technische Aspekte der Interview-Technik.
Leiter (Lt): Was war dein Lieblingsbuch als Kind?
Protagonist (Pt): Prinz Eisenherz.
Lt.: Prinz Eisenherz, ja. Der Prinz Eisenherz, der hat ein Herz, aber aus Eisen oder?
Pt.: Nein, sein Charakter ist so verläßlich. Gut und verläßlich.
Lt.: Ja gut, wir gehen dann in die Rolle.....Du bist Prinz Eisenherz, ja,... wer hat dir diesen Namen gegeben? Prinz Eisenherz?
Pt.: Es ist ein Ehrenname, den man bekommt dadurch, daß man besonders tapfer ist.
Lt.: Und das heißt Eisenherz?
Pt.: Weil man so verläßlich ist. Daß man nicht betrügt. Daß man treu ist, bei Freunden, seinem König und seiner Königin treu ist. Bis jetzt ist der Pt. noch nicht in den Rollentausch mit Prinz Eisenherz gegangen, noch spricht er nur über ihn!
Lt.: Aha, aber gibt es auch die Möglichkeit, dein Gefühl zu zeigen, denn dein Herz ist doch eisern. Die Bemerkung des Lt. ist so formuliert, daß der Pt. mit der Figur von Prinz Eisenherz identifiziert wird.
Pt.: Das ist eine Tragödie. Prinz Eisenherz ist immer ein Verlierer. Er verliert... ist zwar treu, aber er kommt doch gerne zu kurz, weil,... er ist wohl treu, dadurch ist er aber in seiner eigenen Welt behindert, sich auszudrücken - weil... er hat soviel Moral in sich, daß er sich nicht ausdrücken kann. Pt weicht nochmal aus.
Lt.: Was würdest du sagen, wenn du ein anderes Herz haben könntest? Nicht nur eisern, sondern was für ein Herz würdest du gerne haben?
Pt.: Ich denke, er kann seine Liebe ausdrücken.
Lt.: Na gut, du bist jetzt Prinz Eisenherz und du kannst jetzt das Herz haben, welches du möchtest. Was würdest du für ein Herz haben wollen? Ein Herz wo du mit Leben ausdrücken könntest, wie du möchtest? Wie soll dein Herz aussehen?
Pt.: Ich denke, es ist sehr warm und es ist sehr rot. Jetzt geht der Pt. in den Rollentausch und spricht in der Ichform
Lt.: Also ein warmes, rotes Herz. Das ist schön. Kannst du es hier in diesem Zimmer sehen? Vieleicht hier in dem roten Tischtuch? So zum Beispiel Lt. deutet auf das Tuch auf dem kleinen Tischchen neben ihm. Damit verstärkt er den emotinalen Gehalt der Situation, man sieht förmlich ein warmes, rotes Herz vor sich. Auch ist gleich für alle Fälle ein Objekt mit dem Gefühlsaspekt "Herz" griffbereit
Pt.: Ja.
Lt.: Und das ist doch warm und rot. Und das hast du dann und das ist dein Herz. Ja...Und wer soll dann dir gegenüber stehen, wenn du dieses warme rote Herz hast. Wer soll da sein?
Pt.: Natürlich die schöne Prinzessin.
Lt.: Aha, und ... wie sieht diese Prinzessin aus? Ist sie blond?
Pt.: Sie ist dunkelhaarig.
Lt.: Sie ist dunkelhaarig, aha.
Lt.: Aha,.. und du, deine Haarfarbe ist wie?
Pt.: Schwarz. In der Realität ist der Pt. mittelblond
Lt.: Du bist auch schwarz, wie sie. So, ihr beide..., du bist Prinz und sie ist Prinzessin.
Pt.: Ja.
Lt.: Wie alt ist sie?
Pt.: Jung.
Lt.: Sie ist so 15?
Pt.: Ja so, ... ein bißchen älter ... 16, 17.
Lt.: Und du bist der junge Prinz Eisenherz und sie ist die junge Prinzessin. Du willst das warme rote Herz ihr gegenüber ausdrücken, das wäre schön... Und was würdest du ihr sagen?
Pt.: Ja, das ist ja das Problem.
Lt.: Was will sie von dir hören? Jetzt bist du die Prinzessin. Wie heißt du, Prinzessin?
Pt.: Janine.
Lt.: Janine, hier steht der junge Prinz Eisenherz. Er hat dunkle Haare. Er ist doch ein gutaussehender junger Mann.
Pt.: Ja.
Lt.: Was möchtest du eigentlich von ihm hören?
Pt.: Ehm, ich möchte gerne ein bißchen umworben werden. Ich möchte, daß er charmant ist, daß er mir nette Dinge sagt, daß er,... ja, daß er mich umwirbt.
Lt.: Ja. Du möchtest, daß er sich so sicher ist, daß er das tut.
Pt.: Ich möchte das, weil ich brauche das für meine Eitelkeit. Ich möchte umworben sein.
Lt.: Ja, du möchtest umworben werden und daß er so selbstsicher ist daß zu machen...? ...daß er nicht ausweicht. Daß er es kann, dich zu umwerben. Ja, ist das wahr?
Pt.: Ja, er soll das tun.
Lt.: Er soll das einfach tun und nicht verweigern.
Pt.: Mmmm...
Lt.: Wenn du also jetzt wieder Prinz Eisenherz bist...
Pt.: Ja, gut... also ich... ich glaube,...
Lt.: Der Prinz, der sich ausdrücken könnte, gibt es den?
Pt.: Ja, sicher gibt es den, natürlich!
Lt.: Und wie sieht der aus?
Pt.: Ja, der ist auch sehr gut aussehend, und er weiß das auch. Das ist mehr der musische Typ!
Lt.: Was hat er an?
Pt.: Er trägt weiche Beinkleider, wein-rot mit weißen, eingesetzten Streifen, eine weitgeschnittene weiße Bluse mit Puffärmeln und ein grün-samtenes Wams.
Lt.: Aha, ja und wie heißt du?
Pt.: Ich heiße Prinz Cour du rouge.
Lt.: Prinz Cour du rouge, das ist ja ein sehr schöner Name, und wo kommst du her?
Pt.: Aus Frankreich!
Lt.: Ja, aus Frankreich... So, Prinz Cour du Rouge, kann du da die Prinzessin Janine sehen?
Pt.: Ja, sicher. Sie ist sehr schön. Sie lächelt mich an.
Lt.: Und?
Pt.: Ja, ich denke, ich sage ihr ein paar Komplimente... Schöne Prinzessin, je suis enchanté... sie sind ganz bezaubernd... ich würde sie gerne heute abend zum großen Ball in mein Schloß einladen...
Lt.: Und du, du jetzt als Prinzessin, wie findest du das?
Pt.: Ich bin ganz begeistert! Er ist so charmant!
Lt.: Also es ist jetzt ein ganz raffiniertes Spiel. Du hast jetzt die Fähigkeit, in diesen jungen Prinz Coeur de rouge tief hinein zu sehen! Und du siehst schon, wie raffiniert wir das darstellen können. Er kann hier ganz gut zu dir etwas bringen... Träume erwecken. Aber ja du siehst hier die Träume. Ich gebe dir hier eine Brille. Du kannst hier den Prinzen sehen, wie er wirklich ist. Das ist doch das Schöne. Das ist doch das Schöne an diesem Mann. Der Lt. überreicht dem Pt. mit überzeugter Miene eine imaginäre Brille, die sich der Pt. auch symbolisch aufsetzt.
Pt.: Ja.
Lt.: Diese Brille ist eine Zauberbrille. Man kann damit sehen, wie ein Mensch in sich selbst wirklich ist. Nimm die Brille und schau ihn an.Die Suggestion wird noch verstärkt. Der Gedanke ist, daß sich der Pt. sich selbst anschaut aus der Perspektive der Frauen
Pt.: Ja.
Lt.: Du siehst ihn, wie er wirklich ist, jetzt, ja. Du siehst dieses warme rote Herz. Und was willst du ihm sagen?
Pt.: Ich bin jetzt wieder Janine?
Lt.: Ja. Du bist die Janine. Du siehst den Prinzen und weißt jetzt, wie er wirklich ist, ja. Mit dem roten, warmen, fließenden Herz. Was wirst du ihm sagen...? ein Geheimnis?
Pt.: Das Geheimnis ist, daß ich eigentlich doch sehr verliebt bin in ihn.
Lt.: Aha.
Pt.: Ja.
Lt.: Das ist schön.
Pt.: Ja..., ehm gut, ja. Die Wahrheit ist, schöner Prinz coeur de rouge...? ...das ich schon seit vielen Jahren von Ihnen träume und sehr froh bin, jetzt die Gelegenheit zu haben, meine Liebe gestehen zu können.
Lt.: Wie fühlst du denn jetzt, Prinzessin?
Pt.: Ja, ich bin ganz schrecklich aufgeregt und habe das Problem, daß ich hoffe, das er mich auch gut findet.
Lt.: Das ist doch schön. Jetzt machen wir einen Rollentausch... wenn du willst, bist du jetzt der Prinz coeur de rouge. Ja und jetzt gebe ich dir die Zauberbrille und du siehst die Wahrheit. ...Und du kannst die Prinzessin wirklich sehen, wie sie ist. Du hast ihre Botschaft gehöört. Was willst du ihr sagen? Sie ist in dich total verliebt.
Pt.: Ja, das ist eben das Problem, das habe ich vorher nicht gesehen. Und das ist schön zu sehen, das sie doch im Grunde genommen nicht eine Prinzessin ist, sondern eine Frau, die geliebt sein will. Und das sie...Dem Pt. stockt die Stimme
Lt.: Das ist so schön... du sagst mir das. Lt. insitiert auf der wörtlichen Rede Sage das ihr. Sie will das so gerne von dir hören. Sie ist eine verliebte junge Frau.
Pt.: Ja, ich bin ganz glücklich zu sehen, Janine, daß du auch in mich verliebt bist. Und ich bin auch ,.... und auch ich liebe dich auch sehr. Das ich ganz glücklich bin.
Lt.: Was kommt denn eines Tages. Eines Tages, was wird passieren?
Pt.: Wir werden heiraten und Kinder bekommen, das ist selbstverständlich. Ja ..., ich möchte dich heiraten, doch, das ist das was gesagt werden muß.
Lt.: Schau sie an. Was macht sie mit ihrem Kopf jetzt. Nickt sie dir zu?
Pt.: Ja, natürlich nickt sie.
Lt.: Und du kommst dann in ihre Nähe.
Pt.: Ja
Lt.: Und jetzt nehmt ihr euch in die Arme ... und du bist nicht mehr Prinz Eisenherz, Protagonisten aus der Rolle entlassen! oder Prinz auf französisch "Coeur de rouge". Wir schreiben eine neue Geschichte, ein neues Märchen.
Pt.: Ein neues Märchen, genau.
Lt.: Vielen Dank.
Pt.: Danke auch.